Wer sich auf die Suche nach Lektüre-Erinnerungen begibt, sammelt Material für eine Psychoanalyse. Sicher haben Elternhaus und Schule ihren Anteil daran, welchen Büchern man zuerst begegnet, und auch der Zufall spielt dabei eine Rolle. Nicht zufällig aber ist, was innerlich weiterwirkt und sich in der Erinnerung verankert. Wie das geschieht, ist nie ganz aufzuklären, denn als Leser ist man mit daran beteiligt. Der beste Leser – so ließe sich ein Satz von Sigmund Freud abwandeln – ist derjenige, der seine literarischen Vorlieben nicht eigentlich wählt, sondern auf sie fixiert ist, und zwar auf eine Weise, dass er zunehmend glaubt, von ihnen gewählt zu sein. Solchen Lektüre-Erinnerungen ist Hanjo Kesting auf der Spur, wenn er von seinem »Leben mit Literatur« berichtet.