Die Brauchbarkeit großer Verbrecher als Dramenhelden hat Schiller in seinen theoretischen Schriften ästhetisch begründet. Erprobt hat er sie in Dramen wie Die Räuber und Die Verschwörung des Fiesco zu Genua. Ganz anders nämlich ist Schillers Interesse am Verbrecher in der Erzählung „Der Verbrecher aus verlorener Ehre“, die im Zentrum des Vortrags steht. Den geistesgeschichtlichen Hintergrund bildet hier das Anliegen der Spätaufklärung, den Rätseln der menschlichen Seele nachzuspüren.
Schillers Erzählung ragt durch die modern anmutenden Thesen über die Verbrechensgenese hervor. Seine Einsicht in die Ursachen des Verbrechens führt Schiller zu zukunftweisenden Forderungen hinsichtlich der Ausgestaltung der Strafe.
Im Gegensatz zu der hier auf Besserung und Resozialisierung gerichteten Straftheorie, orientiert sich die Strafe für die großen Verbrecher in seinen Dramen an der klassischen Vergeltungstheorie im Sinne Immanuel Kants. Der Grund dafür liegt wiederum in der ästhetischen Eigengesetzlichkeit des Dramas.